Der Umgang mit elektrischem Strom ist und bleibt gefährlich. Für
Elektrofachkräfte, die berufsmäßig mit Strom und Spannung umgehen,
ist die Gefahr eines Stromunfalls ungleich höher als bei einem elektrotechnischen
Laien.
Diese Einführung im Umgang mit elektrischem Strom ist zwar an die
DIN VDE 0105-100 angelehnt, ersetzt aber in
keinem Fall eine Unterweisung einer autorisierten und fachkundigen Person.
Die Höhe der Gefährdung
ist abhängig von der Größe des Körperwiderstandes. Sie ist
abhängig vom Körperbau und
der Konstitution, vom der augenblicklichen körperlichen
Verfassung, sogar vom seelischen Zustand.
Die Gefahren beschränken sich nicht nur auf den
Netzstrom, vor dem immer
ausdrücklich gewarnt wird. Gleichstrom
und Gleichspannung sind ebenso gefährlich, da diese sowohl unterschätzt
als auch nicht sofort bemerkt und zur
Kenntnis genommen werden.
Muskelbewegungen
werden durch schwache elektrische Impulse gesteuert, die meist vom Gehirn
ausgehen. Die Herztätigkeit wird vom Schrittmacher, dem so genannten
Sinusknoten im rechten Vorhof des Herzens, gesteuert. Fremdspannungen stören
diese sehr kleinen Steuerspannungen. Es kommt je nach Stromstärke zu
Schreckempfindungen, Muskelverkrampfungen, Herzkammerflimmern. Bei stärkeren
Strömen oder Gleichstrom entstehen Verbrennungen und Zersetzungsprodukte,
die den Körper vergiften. Muskelverkrampfungen verhindern
das Loslassen
spannungsführender Teile. Herzmuskelflimmern führt zum Tod, weil die
Körperzellen,
vorzugsweise
das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird.
|
Elektrizität
selber ist im Normalfall unsichtbar und nur an ihren Wirkungen zu
erkennen. Der Lichteffekt eines Hochspannungsüberschlags ist nur ein
Sekundäreffekt, also eine Wirkung des fließenden elektrischen Stromes.
Die
Gefahren des Netzstromes und der Netzspannung sind den meisten Personen
soweit bekannt, dass wenn einen netzstromführenden Leiter, in welcher Art
auch immer, berührt wird, man einen elektrischen Schlag bekommt, der auf
jeden Fall ziemlich weh tut und der unter Umständen auch eine kleine
Brandverletzung verursacht.
Weniger bekannt ist schon, dass nicht nur eine
Brandverletzung entsteht sondern meistens auch eine Zweite. Die Erste
entsteht am Stromeintrittspunkt in den Körper, die Zweite am
Stromaustrittspunkt, vorausgesetzt, der Strom wird punktförmig abgeleitet.
-
Ein
weiterer Effekt, der bei Netzstrom auftritt, ist die
Reizung
von Nerven und Muskeln. Der durch das Körpergewebe
fließende Strom bringt die Muskeln dazu, sich stark zusammen zu
ziehen, die Muskeln kontrahieren. Dies kann dazu führen, dass die
Hand, die den stromführenden Leiter berührt, diesen krampfartig
umfasst.
Fließt der Strom durch den Brustkorb über das Herz, kann es durch
die 50 Hz Netzfrequenz zu Herzflimmern kommen, der zum Tod führt,
wenn nicht sofort lebensrettende Maßnahmen eingeleitet werden.
Die
Gefahr dieser
niederfrequenten Wechselströme
beginnt bei einer Frequenz von ca. 10 Hz und reicht bis ca.
10 kHz. Alle Frequenzen in diesem Bereich führen zu Muskelflimmern oder
Verkrampfung.
-
Der
elektrolytische
Effekt tritt auf,
wenn Gleichstrom durch das Körpergewebe fließt. Die Gefahr eines
Gleichstromunfalls wird im Normalfall stark unterschätzt. Eine
Muskelkontraktion tritt nur im Moment des ersten Stromflusses auf, das
heißt, im Moment der ersten Berührung, und klingt relativ schnell
wieder ab.
Die Gefahr des Gleichstromes liegt in der elektrolytischen Auflösung
des Gewebes. Dabei wird das Gewebe zersetzt, vergleichbar dem
Elektrolyse-Experiment, bei dem Wasser mit Hilfe von Gleichstrom in
Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt wird.
Durch das sich zersetzende Gewebe werden Stoffe erzeugt, die zu einer
Vergiftung führen können, der sogenannten
Gleichstromvergiftung.
Die Gleichstromvergiftung zeigt sich erst einige Tage nach den Unfall
und kann unbehandelt zum Tod führen.
-
Elektrizität
erzeugt magnetische Felder. Die elektromagnetischen Felder sind in
Form von Elektromotoren, Dynamos, stromerzeugende Turbinen, Sender
etc. allgegenwärtig
Sowohl bei der magnetischen Wirkung als auch bei der Lichtwirkung geht
die Wärmewirkung mit ein.
|
Indirektes
Berühren ist möglich, wenn wegen eines Isolationsfehlers Spannung an
Teile gelangen, die betriebsmäßig keine Spannung führen, z.B. das Gehäuse,
d.h. der Körper, einer Maschine (Bild 1 und Bild 2). Die durch den Isolationsfehler
entstandene leitende Verbindung nennt man »Körperschluss«. Ein
indirektes Berühren ist auch durch Lichtbögen oder Erdschluss bei
Erdkabeln möglich.
In
Bild 3 zeigt die Gefährdungsbereiche eines von der linken Hand zu den Füßen
fliesenden Stroms. In der Grafik sind die wesentlichen Gefährdungsbereiche
zu erkennen. Allerdings ist anzumerken, dass sich die einzelnen Bereiche
nicht strikt voneinander trennen lassen. Die Übergänge sind verwischt
und müssen als fliesend betrachtet werden. Liegt
die Wahrnehmungsschwelle
bei einem Menschen bei 0,5mA, kann sie, je nach allgemeiner
Empfindlichkeit höher
oder niedriger liegen.
Bild
1: Schemazeichnung und Ersatzschaltbild bei
Bild 2:
Indirektes Berühren bei Körperschluss
direkter Berührung
|
Bild
3: Gefährdungsbereiche für den Stromweg »linke Hand – Füße«.
Nach links ist die Stärke des durch den Körper fließenden
Stromes, nach oben die Einwirkungsdauer aufgetragen.
|
In
diesem Bereich sind praktisch keine Einwirkungen wahrnehmbar, und dies ist
auch unabhängig von der Einwirkungsdauer. Eine Schädigung des Gewebes
ist unwahrscheinlich.
Ein
leichtes Kribbeln ist spürbar. Es können leichte Muskelverkrampfungen
auftreten. Schäden gibt es noch nicht. Abhängig von der Einwirkungsdauer
können schon leichte Gewebeschädigungen auftreten.
Es
gibt starke Verkrampfungen. Sie verhindern, dass man den Stromleiter loslässt.
Es kann schon zum gefährlichen Herzflimmern kommen. Die so genannte
Loslassschwelle hängt von der Einwirkungszeit ab. Je länger diese
dauert, desto kleiner darf die Stromstärke nur sein.
Es
ist eine tödliche Stromwirkung zu erwarten.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die
Stromwirkungen noch einmal in einer übersichtlichen, etwas detaillierteren
Form:
Schädigende Wirkung von Elektrizität
|
Bereich
|
Stromstärke
in mA
|
Wirkungen
auf den Körper
|
Folgen
|
1
|
1
bis 2
|
»Kribbeln«
|
Erschrecken,
Verletzungsgefahr durch unkontrolliertes Zurückzucken
|
bis
10
|
Muskelkrampf
|
Lähmungserscheinungen
|
bis
25
|
Ansteigen
des Blutdrucks
|
Bewusstlosigkeit
|
2
|
bis
50
|
Starke
Muskelverkrampfungen
|
Starke
Lähmungserscheinungen
|
Magenverkrampfungen
|
Übelkeit
|
Herzkammerflimmern*
|
Gehirn
ohne Sauerstoff ð
Tod
|
3
|
über
50
|
Herzkammerflimmern*
|
Herzstillstand,
Tod
|
4
|
über
500
|
Starke
Verbrennungen, Herzstillstand
|
Tod
durch Verbrennen
|
*
Besonders gefährlich sind Wechselströme, wenn sie länger
als 0,1 Sekunden auf den Körper einwirken
und wenn sie über den Herzkreislauf führen
|
Für
die Folgen eines elektrischen Unfalls sind die Stromstärke, die
Dauer der Stromeinwirkung,
der Stromweg und die Stromart entscheidend.
Aus diesem Grund sind die Stromangaben der vier Bereiche nicht zwingend
sondern nur ungefähre Angaben!
Ströme über 50mA sind
lebensgefährlich
Der
Strom, der durch den Körper fließt ist entscheidend. Aus Erfahrung weiß
man, dass schon ein Strom von 50mA den Tod herbeiführen kann.
Spannungen
über 50V AC und über 120V DC sind lebensgefährlich
Der
durch den Körper fließende Strom hängt von der Spannung ab. Sind die Übergangs-Widerstände
und der Körperinnenwiderstand klein, resultiert ein großer Strom.
Das
Arbeiten an Teilen, die unter Spannung gegen Erde stehen, ist verboten
Bei Betriebsspannungen
über 50VAC und 120VDC
sind Arbeiten an Teilen, die unter Spannung stehen, nur dann gestattet,
wenn diese Teile aus wichtigen Gründen nicht spannungsfrei geschaltet
werden können. Solche Arbeiten dürfen nur von Elektrofachkräften
durchgeführt werden (VDE 0105).
Zur
Verhütung von Unfällen sind die Unfallverhütungsvorschriften der
Berufsgenossenschaft und die VDE-Bestimmungen zu beachten
-
Freischalten
Das Freischalten ist
gleichbedeutend mit allpolig
abschalten.
Darunter
ist das allseitige
Abschalten oder Abtrennen einer
Anlage, der Teil einer Anlage
oder eines Betriebsmittels vom
230Volt-Netz oder von einer anders gearteten Starkstromanlage
zu verstehen.
Das
heißt, der Netzstecker wird aus dem
Gerät gezogen, das Netzkabel aus der Steckdose! Ist das nicht möglich,
werden die Sicherungen aus dem Gerät
entfernt, so dass das Gerät sicher vom Stromkreis getrennt ist.
Achtung: Das Entfernen der
Sicherungen garantiert nur, dass der der Sicherung nachfolgende Stromkreis
spannungsfrei ist. Bis zur Sicherung liegt immer noch Spannung an!
Wird
das Gerät ausgeschaltet und nicht vom Netz getrennt, muss sichergestellt sein, dass der Netzschalter
sowohl den Nullleiter als auch die Phase wirksam von Netz trennt.
-
Gegen
Wiedereinschalten sichern
Gegen
Wiedereinschalten sichern bedeutet, dass verhindert
werden soll, dass eine Person den Netzstecker wieder einsteckt, das
Gerät wieder einschaltet oder die Sicherungen wieder einsetzt.
Gegebenenfalls muss ein Hinweisschild am Gerät angebracht werden, das
unmissverständlich darauf hinweist, dass daran gearbeitet wird. Hat das
Gerät einen Schlüsselschalter, wird der Schlüssel abgezogen
.
-
Spannungsfreiheit
feststellen.
Die
Spannungsfreiheit
wird festgestellt,
indem mit einem geeigneten Mittel
an den Leitern oder Klemmen gemessen oder getestet wird, ob eine Spannung
anliegt. Ein geeignetes Mittel kann ein beliebiges Messgerät sein, mit
dem es gefahrlos möglich ist, die Spannung anzuzeigen, z.B. ein
Digital-Multimeter, dass für den zu messenden Spannungsbereich ausgelegt
ist. Ein Phasenprüfer kann ebenso eingesetzt werden, vorausgesetzt er ist
für die zu testende Spannungshöhe zugelassen.
-
Erden
und kurzschließen
(bei Spannungen über 1000V)
Zur
abschließenden Sicherheit werden die ØLeiter zueinander kurzgeschlossen und geerdet.
Bei langen Anschlusskabeln kommt es vor, dass sich Aufgrund der Kabellänge
eine Restladung aufbaut. Selbst wenn zuvor
die Spannungsfreiheit festgestellt wurde, hat sich nach einer kurzen Zeit erneut
eine Ladung aufgebaut, die durch Kurzschließen
und/oder Erden abgebaut werden muss.
Die Entladung, die beim Erden/Kurzschließen entsteht, ist wegen ihres hohen
Stroms und dem daraus resultierenden
Spannungsabfall sehr gefährlich.
Wird der Strom über Körpergewebe abgeleitet, können Verletzungen von
Verbrennungen bis hin zur Verkohlungen entstehen, sowie
Herzkammerflimmern, dass ohne sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen zum
Tode führt.
Es
ist notwendig, Anschlussleiter auch während der Arbeit an abgeschalteten
Geräten hin und wieder kurzzuschließen, um Restladungen abzubauen.
Gemäß
DIN VDE 0105 darf in Anlagen mit Nennspannungen bis 1000 V, mit
Ausnahme von Freileitungen, das Erden und Kurzschließen unterbleiben,
wenn die Regeln 1 bis 3 vorschriftsmäßig durchgeführt wurden.
Erden
und kurzschließen ist eine zwingende Sicherheitsmaßnahme,
da sie eventuell vorher vergessene Sicherheitsmaßnahmen aufdeckt. Wird
ein unter Spannung stehender Leiter geerdet, springt die Sicherung heraus
und das Gerät ist spannungslos.
-
Benachbarte,
unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken
(Bei Spannungen über 1000V)
Es
kommt vor, dass Einstell- und Abgleicharbeiten an unter Spannung stehenden
Geräten vorgenommen werden müssen. Bisweilen existieren in Geräten und
Anlagen mehrere Stromkreise, die unabhängig von einander in Betrieb sind.
Um
zu verhindern, dass der noch unter Spannung stehende Stromkreis berührt
wird, ist es notwendig, ihn mit Ønichtleitendem
Material abzudecken oder,
wenn es sich um eine Starkstrom führende Anlage handelt, diese Øabzuschranken.
Durch
das Abschranken soll auch verhindert werden, dass sich unbefugte Personen
der Anlage nähern, diese berühren und sich in Gefahr begeben.
Gemäß
DIN VDE 0105 darf in Anlagen mit Nennspannungen bis 1000 V, mit
Ausnahme von Freileitungen, das Erden und Kurzschließen unterbleiben,
wenn die Regeln 1 bis 3 vorschriftsmäßig durchgeführt wurden
Die
fünf Sicherheitsregeln sind bindend, sie sind in jedem Fall zu beachten,
selbst wenn die durchgeführten Arbeiten unter Zeit- oder Termindruck
stattfinden
Die
Sicherheit geht in jedem Fall vor, da Verletzungen durch Strom so schwer
sein können, dass, wenn sie nicht zum Tod führen, einen lebenslange
Gesundheitsbeeinträchtigung zur Folge haben können.
Und
wer will schon wegen einer halben Minute Unaufmerksamkeit und
Unachtsamkeit ein lebenslanger Pflegefall werden.
Anmerkung:
Zwar
erlaubt die DIN VDE 0105-100, die beiden letzteren Regeln außer Acht zu
lassen, sofern die drei vorherigen Regeln beachtet wurden. Wie jeder weiß,
sind die 230VAC des Stromnetzes ebenfalls unter 1000V, jedoch ist diese
Spannung auch als gefährlich, sogar lebensgefährlich zu betrachten.
Daher ist es sehr zu empfehlen, alle
Sicherheitsregeln einzuhalten.
|
|